Wie jedes Jahr fanden Anfang November unsere Strategietage statt. Diese zwei Tage starten wir jeweils mit der Findung einer GEMEINSAMEN Standortbestimmung. Es ist mir sehr wichtig, dass alle beteiligten Leute das gleiche Bild über das „Wo-stehen-wir-jetzt“ haben. Was nützt eine gemeinsame Strategie, wenn wir uns nicht einig sind, wo der Ausgangspunkt ist. Oder andersherum: Wie wollen wir wissen wie wir wohin gehen, wenn wir uns nicht einig sind, wo wir aktuell sind? Genau: Das geht nicht!
Nach rund einer Stunde sind wir uns einig und ab geht’s Richtung Strategie 2016. Philosophieren, träumen, debattieren, argumentieren, und diskutieren. Zwei ganze Tage lang! Bis dann am Schluss zwei grosse Flipchart Papiere im Raum hängen: die To-Do Liste für bereits beschlossene Massnahmen und natürlich die Strategie 2016. Diese beiden Tage erlebe ich jeweils als höchst kreativ und bin immer wieder erfreut, wie sehr Menschen sich für eine Sache einsetzen können. Da ist jeweils unglaublich viel Power drin und im 20-Minutentakt sprudeln neue, vermeintliche Businesschancen und Innovationen aus uns raus.
Schlimm muss es für unser Finanzchef sein. Ständig sprechen wir von bahnbrechenden, investitions-haltigen Technologien, Ideen, neuen Business-Chancen, die wir unbedingt auch mitmachen müssen und sollten. Gut ist er mit dabei und fragt uns immer wieder, wie wir denn dies alles finanzieren wollen. Würden wir nur schon jede zweite Idee aufnehmen und realisieren, wären wir innert 2 Millisekunden pleite. Diese lebendigen Diskussionen finden aber innerhalb einer strukturierten Vorgehensweise statt. Es gibt eine Agenda, einen Protokoll-Schreiber, ein Pendenzenlisten Schreiber und einen (Achtung!) Realtime-Vision-Checker. Wir haben ja schliesslich eine Vision für die Firma. Der Realtime-Vision-Checker hat unsere schriftliche Version der Vision vor sich und kontrolliert, ob die gewählte Richtung auch wirklich auf dem Weg hin zur Vision liegt. Eigentlich hat er diese eh schon im Kopf und das Papier liegt nur der Form halber vor ihm. Wenn etwas nicht passt, kommt von dieser Seite ein lautes „Stoppt mal Jungs, wenn ihr nächstes Jahr dahin wollt, müssten wir ernsthaft unsere Vision überarbeiten“. Visionen werden bei uns aber nicht jährlich geändert und so kommen wir dann jeweils wieder rasch auf dem Boden der Realität zurück und finden den Weg hin zur richtigen Strategie wieder sehr schnell. Am Abend des zweiten Tages falle ich dann jeweils todmüde ins Bett und habe quasi meine Aufgaben für das kommende Jahr bereits in der Tasche.
Immer genau an diesem Abend frag ich mich, wieso es dermassen viel Freude macht, in und mit einem solchen Team zu arbeiten. Es liegt wohl daran, dass ich keiner dieser Menschen irgendwie antreiben oder motivieren muss. Sie strotzen vor Motivation, Kreativität und bringen sich leidenschaftlich mit Haut und Haaren ein. Nichts bleibt unausgesprochen und jederzeit ist eine unglaublich konzentrations-schwangere Energie im Raum. Und genau das ist es, was mein Job so wunderbar macht: Die Zusammenarbeit mit hyper-agilen, emotionalen und intelligenten Menschen. Das Resultat in Form einer Business-Strategie, welche innert diesen zwei Tagen gefestigt und in eine brauchbare Form gebracht wird, gefällt uns und wir sind alle zufrieden damit. Sie scheint auch finanzierbar zu sein und liegt voll auf der Linie hin zu unserer Vision. Nun sind die Tage vorbei und die Strategie wird ins Reine geschrieben. Kompakt, kurz, knackig und knapp soll sie werden. Jeder Mitarbeiter soll sie verstehen und soll den Platz für sein Mitwirken darin finden. Ich meinerseits mache das „Auf-den-Boden bringen“ der Strategie zu meiner wichtigsten Aufgabe für das ganze Jahr. Der CFO kontrolliert mich dabei laufend, indem er mir mit einem „Das-haben-wir-nicht-im-Budget“ auf die Finger klopft, wenn ich mal wieder die Spur verliere. In unserer Vision steht „ wir verstehen unsere Organisation nicht als starre Struktur, sondern leben eine „flexible Ordnung“. Eine flexible Ordnung fühlt sich gut an, benötigt aber sehr flexible Mitarbeiter. Keine Ahnung was ein COO darüber denken würde. Ich will es auch gar nicht wissen.
So geht das bei uns. Zugegeben: Man sagt mir nach, dass ich ab und an zu Übertreibungen neige. Ich selber denke, dass dies ein Gerücht ist.